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Wenn man heute über die sakramentale Ehe mit jungen Paaren spricht, bekommt man unterschiedliche Reaktionen. Die einen schauen einen an, als wenn man über ein Relikt aus vergangenen Tagen spricht, das unbedingt entstaubt werden müsste und die anderen bekunden ihre Bewunderung, dass man an "so etwas" noch glaubt, dass doch eigentlich nicht mehr "glaubwürdig" in dieser Gesellschaft zu leben scheint. Diese Reaktionen spiegeln im Grunde genommen die gewandelte Situation der Ehe an sich und der Haltung vieler Menschen zum Glauben.
Die Frage bleibt also, wie kann das Ehesakrament so gedeutet werden, dass es einen Platz im Leben bekommt und von den Menschen als heilbringend erfahren wird?
Wie kann es gelingen den Sinn dieses Sakramentes zu vermitteln, es soweit zu erschließen, dass es den Erfahrungshorizont der Menschen trifft?
Wie kann das Sakrament geerdet werden, um in der manchmal mühseligen Welt der Zweisamkeit, der Partnerschaft als rettend und heilsam erlebbar wird?
Wo ist die Nähe Gottes spürbar ohne das sie als Überforderung erlebt wird?
Die Bibel ist voll von Zeugnissen der heilvollen, spürbaren Nähe Gottes, des sich gemeinsam auf den Weg-machens. Interessant ist, das diese Geschichten nicht nur von Situationen der Freude und Zuversicht erzählen, sondern das die Menschen oft von Verlust und Enttäuschung geprägt sind.
Eine der bekanntesten Stellen ist die Geschichte der Jünger die sich auf den Weg nach Emmaus machten. Weggefährten auf der Flucht Das Evangelium bietet eine Kurzfassung der dramatischen Tage um Ostern. Die beiden Jünger, die Jerusalem den Rücken kehren, nehmen damit Abschied von ihrer Hoffnung, daß Jesus von Nazaret es sei, "der Israel erlösen werde". Und dennoch, sie kommen von ihm nicht los. Sie tauschen ihre Gedanken über all das was sich ereignet hat aus. Als der Fremde, den sie zunächst nicht wahrnehmen, sie um "Aufklärung" bittet, bleiben sie traurig stehen und zählen der Reihe nach auf, was sie gesehen und erlebt und gehört haben.
Menschen, die auf dem Weg sind, richten sich nicht häuslich ein. Sie gehen - manchmal trotz Zweifel - immer wieder dem Neuen entgegen, halten sich bereit für die Begegnung mit dem Ungewohnten. Nehmen Abschied von eingefahrenen Bahnen und eröffnen sich damit neue (Lebens-)Perspektiven.
Auf diesem Weg kann es Steine geben, die einen stolpern lassen oder die einen aus der Bahn werfen. An einem Weg stehen auch Blumen, Bäume und Sträucher, die es zu entdecken gilt und den Weg schöner und abwechslungsreicher machen können.
Dann gibt es aber auch Wegabzweigungen oder -kreuzungen, an denen eine Entscheidung getroffen werden muss. Vielleicht geht man auch mal getrennte Wege oder muß getrennte Wege gehen, entdeckt dadurch für sich allein etwas Neues, Fremdes, um dann wieder den gemeinsamen Weg aufzunehmen und neu zu entdecken. Paare kurz vor der Trauung haben schon vieler dieser Erfahrungen gemacht. Sie sind ein Stück Lebensweg miteinander gegangen, entscheiden sich aber mit der Hochzeit neu und wollen ihrer Beziehung einen tieferen Sinn geben und Be-deutung geben.
In der Emmausgeschichte wird nicht nur über den Weg berichtet, sondern über den unbekannten Weggefährten, der hört, Fragen stellt, das Gespräch aufnimmt und ein Stück des Weges mitgeht. Er teilt einen Moment des Lebens mit den Jüngern. Er nimmt sie ernst, beantwortet ihre Fragen, weckt in ihnen Verständnis dafür, daß es noch eine weitere Perspektive, nämlich die Hoffnung in ihrem Leben geben kann. Seine Worte, seine Nähe sind so bedeutsam für sie, daß ihr Herz brennt, wie sie später bekennen werden.
Wenn auch die Enttäuschung des Karfreitagserlebnis noch nicht weggenommen wurde, so ist sie doch viel leichter mit diesem Dritten zu tragen. Das bedeutet, daß der Gott der mit den Menschen unterwegs ist, sich entdecken lässt. Nicht in außergewöhnlichen Zeichen, nicht in aufsehenserregenden Taten, sondern dort, wo wir leben - mitten im Alltag. Übersetzt heißt das, der Gott, der mit uns geht, hat menschliche Gesichtszüge. Auch die Erfahrung Israels zeigt: Gott will und kann dort gefunden werden, wo Menschen leben, lieben und leiden. Nichts in dieser Welt ist so, dass Gott nicht daran Anteil haben könnte. Auch der geheimnisvolle Dritte auf dem Weg nach Emmaus hat menschliche Züge. Gott ist in dieser Geschichte menschlich geworden.
Für den Alltag bedeutet dies, daß das leicht und zugleich schwer ist. Um Gott zu suchen und zu finden, brauchen wir nicht in eine andere Welt zu gehen. Dort wo wir leben, ist Gott zu finden, wir können uns nicht in eine sakrale Welt zurückziehen. D.h. auch, dass wer mit Gott in seinem Leben rechnet, kann ihn wahrnehmen. Wer offen für die Begegnung ist, bekommt die Chance ihn zu erfahren.
Alle Brautpaare sind am Anfang ihrer Beziehung fest davon überzeugt, dass sie den gemeinsamen Lebensweg schaffen werden. Wenn ganz beharrlich nachfragt wird, ob sie auch ganz sicher sind?, dann antworten viele, dass sie hoffen, daß es gut geht. Diese Hoffnung ist kein Phantasiegebilde, sondern erlebte Realität. Sie ist begründet, in den Erfahrungen vorhergehende Generationen.
Diese Erfahrung wird auch in dem Evangelium sichtbar: Den Jüngern wird Hoffnung geschenkt, indem sie nicht allein unterwegs sind. Hoffnung als Ahnung der Anwesenheit Gottes in der Beziehung, Was heißt. das nun aber konkret für den Alltag? Für die Lebenspraxis: Gott in der Mitte zu erahnen, Gott mit auf dem Weg zu wissen, Gott als Hoffnungszeichen in der Beziehung? Welche Dimension und Konsequenz für das Leben hat diese Aussage? Ist sie mehr als ein frommer Glaubenssatz, der uns beunruhigt, der uns nicht stillstehen läßt? Oder wird die christliche Hoffnung zu einem sanften Ruhekissen. Bedroht sie die Menschen nicht mehr so existentiell, wie es das Volk Israel noch verspürte.
Ein Philosoph Günther Anders - hat einmal den Christen ihre "ewige Hofferei-" zum Vorwurf gemacht. Er klagt damit an, dass die Hoffnung auf Erlösung die Christen lähmt und sie damit jeglicher Verantwortung für die Welt entledigen.
Menschen aber, die wirklich gehofft haben, haben sich auf den Weg gemacht, haben Verantwortung übernommen und Verantwortung auch von anderen verlangt oder sogar gefordert. Der Weggefährte aus der Emmausgeschichte lässt die Jünger nicht in Ruhe, er stellt unangenehme Fragen, indem er- ihrer Glauben an die Hoffnung, an die Erlösung in Frage stellt. Die Jünger haben die Hoffnung verloren, sie sind enttäuscht, ihre Erwartungen, die sie an Jesus von Nazaret stellten, wurden nicht erfüllt. Indem der unbekannte Dritte mit den Jüngern geht, ihnen die Schrift auslegt und das Brot mit ihnen bricht, wächst in ihnen eine neue Hoffnung, die dann später sogar in die Parusie (Naherwartung) des Herrn mündet.
Hoffnung ohne Erwartungen ist im Kern Hoffnung ohne Freude. Sie verliert den Reiz und wird schal, sie wird zur Gewohnheit. So wie die Jünger wieder neue Hoffnung im gemeinsamen Tun oder - theologisch gesprochen - in der Praxis der Nachfolge bekommen haben, so können wir auch Gott in unserer Mitte erwarten oder erahnen. Und nur so wird Er begreifbar und fassbar für uns.
Dabei kann auf eine lange Tradition zurückgeschaut werden. Viele vor Menschen sind schon diese Wege gegangen. Ein Weg kann ja erst entstehen wenn Menschen ihn durch ihre Fußspuren geprägt, ausgeformt haben. In einem Weg liegt sozusagen immer eine imaginäre Geschichte, der Menschen, die ihn schon gegangen sind. Darum dürfen alle Brautpaare darauf vertrauen, dass ihrem gemeinsamem Lebensweg Menschen sie begleiten, sie erwarten und sich vielleicht manchmal als Boten Gottes erweisen – denn der Dritte im Bunde ist bei ihnen.
Text: Eva Polednitschek-Kowallick, Bischöfliches Generalvikariat Münster,
Referat Ehe- und Familienseelsorge.
Foto: Norbert Ortmanns, Kirche+Leben