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"Wenn man in seinem Leben Mist gebaut hat – kann Gott das vergeben?" Mit dieser Frage kam vor kurzem ein junger Mann auf mich zu. Ich ging gemütlich auf Münsters Promenade spazieren. An meinem Kragen hatte er wohl erkannt, dass ich Priester bin. Ich war etwas perplex. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass ich auf der Straße mit so wesentlichen Fragen überfallen werde. "Wenn man in seinem Leben Mist gebaut hat – kann Gott das vergeben?"
Vor allem: Was heißt das schon: "Mist gebaut"? Mal gelästert? Hier und da gelogen? Dem Finanzamt was vorenthalten? Na, da wird Gott doch wohl mit fertig werden, wenn er barmherzig ist.
Bei dem jungen Mann, den ich da traf, ging es offensichtlich um gravierendere Dinge, bei denen auch andere zu Schaden gekommen waren. Kann Gott das einfach so vergeben? Das wäre ja einfach: ich benehme mich wie die Axt im Walde, nehme keine Rücksicht auf andere und sage am Ende: oh, das tut mir aber alles Leid – und Gott sagt: Schwamm drüber? Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Ganz zu schweigen von den großen Verbrechen der Menschheitsgeschichte: Völkermord, Terror, Vergehen an Kindern? Kann Gott das vergeben? Wie ist das mit der Barmherzigkeit, wenn’s am Ende nicht auch irgendwie gerecht zugeht? Gerade für die vielen Opfer dieser Welt.
Es gab schon mal einen, der richtig Mist in seinem Leben gebaut hatte und dafür die Todesstrafe bekommen hat. Als dieser Verbrecher, der wahrscheinlich auch Menschenleben auf dem Gewissen hatte, zusammen mit einem anderen am Kreuz hingerichtet werden sollte, war da noch ein dritter zwischen ihnen. Von dem war klar, dass er eigentlich nichts Unrechtes getan hatte, das sah man ihm wahrscheinlich schon an. Als dieser Verbrecher nun zu Jesus in der Mitte sagt: ich weiß, dass ich hier den Lohn für meine Taten bekomme, aber du, du bist anders. Denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! Da bekommt er zu hören: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!
Für mich ist dieser Bericht so voller Hoffnung. Weil er zeigt, wie die Gerechtigkeit Gottes funktioniert. Sie lässt jedem Menschen bis zum Schluss die Gelegenheit, zu seinen Taten Stellung zu nehmen. Selbst dem größten Verbrecher und dem, der denkt, sein ganzes Leben wäre verpfuscht. Und wenn echte Reue da ist, manchmal nur der leise innere Schmerz über das, was war und nicht mehr zurück zu nehmen ist, dann gibt es keine Schuld, die größer sein könnte als Gottes Barmherzigkeit. Für menschliches Gerechtigkeitsempfinden schwer zu fassen. Aber im Blick auf die eigene Schuld auch tröstlich.
Ich muss natürlich nicht warten bis zum letzten Atemzug. Wie bei dem jungen Mann, der mich beim Spaziergang angesprochen hat, lohn es sich, diese Frage auch mal zwischendurch zu stellen: Kann Gott mir meine konkrete Schuld vergeben? Ja, er kann, wenn wir ihn lassen. Er will sogar nichts lieber als das. Dazu bin ich in die Welt gekommen, sagt Jesus, nicht um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten.
Das habe ich auch dem Mann auf Münsters Promenade gesagt. Bevor wir dann auseinander gegangen sind, habe ich ihm die Hände aufgelegt und ihn gesegnet.
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Text: Martin Sinnhuber
Foto: Michael Bönte, Kirche+Leben